28

 

Für die Rückfahrt nach Boston versetzte Rio Dylan nicht in Trance.

Trotz der Seitenblicke von Nikolai und Kade auf den Vordersitzen des Geländewagens, die verlauten ließen, dass er ein Idiot war, so gegen die Regeln zu verstoßen, konnte Rio Dylan einfach nicht anders behandeln, als ihr vollkommen zu vertrauen. Er wusste, dass er ein höllisches Risiko einging, ihr die genaue Lage des Hauptquartiers anzuvertrauen, obwohl er nicht sicher war, wie lange - oder in welcher Eigenschaft - sie dort mit ihm bleiben würde. Aber er vertraute ihr.

Zur Hölle noch mal, es war mehr als nur Vertrauen, das er ihr entgegenbrachte. Er war sich schon ziemlich sicher, dass er sie liebte.

Diese verblüffende Erkenntnis behielt er jedoch für sich, denn er sah nur allzu deutlich, dass es Dylan nervös und ängstlich machte, ihre Mutter allein in New York zurückzulassen. Bei jedem Kilometer, den sie sich Boston näherten, spürte er, wie ihr Herz etwas schneller schlug. Es war keine Blutsverbindung mit ihr nötig, um die innere Unentschlossenheit zu spüren, die ihr Körper in Wellen abstrahlte, während sie ruhig an ihn gelehnt neben ihm auf dem Rücksitz saß, ihr Blick starr auf die verwischte Landschaft gerichtet, die an den getönten Scheiben vorbeiraste.

Sie wollte nicht hier sein.

Rio hatte keine Zweifel daran, dass sie Zuneigung zu ihm empfand.

Nach heute Nacht wusste er das. Und er musste glauben, dass sie sich unter anderen Umständen nicht so sehr danach gesehnt hätte, aus dem fahrenden Wagen zu springen und so schnell wie möglich zurück nach New York zu rennen.

„Hey“, murmelte er an ihrem Ohr, als Niko den Rover in die eingezäunte Auffahrt des Anwesens lenkte. „Wir werden das alles schon hinbekommen, okay?“

Sie schenkte ihm ein kleines Lächeln, doch ihre Augen waren traurig. „Halte mich einfach nur, Rio.“

Er zog sie noch enger an sich und drückte seine Lippen in einem sanften Kuss auf ihre. „Ich lasse nicht zu, dass dir etwas zustößt, das verspreche ich dir.“

Er war sich nicht sicher, wie er einem so großen Versprechen gerecht werden konnte, aber als Dylan nun zu ihm aufsah, lag Hoffnung in ihren Augen, und, verdammt noch mal, er würde dieses Versprechen zu seiner Lebensaufgabe machen und es halten, was immer es ihn kosten würde.

Der Geländewagen rollte durch das Tor und auf die gesicherte Garage zu, in der sich der Fuhrpark des Ordens befand. Rio ließ Dylan äußerst ungern los, als der Wagen im Inneren des Hangars zum Stillstand kam.

„Trautes Heim, Glück allein“, meinte Kade gedehnt, öffnete die Beifahrertür und stieg aus.

Nikolai warf Rio einen Blick vom Fahrersitz zu. „Wir gehen gleich ins Techniklabor runter. Sollen wir Lucan und die anderen wissen lassen, dass du gleich nachkommst?“

Rio nickte. „Ja, gebt mir zehn Minuten.“

„Alles klar.“ Niko sah zu Dylan hinüber. „Hören Sie, es tut mir echt leid mit Ihrer Mutter. Das muss Sie wirklich sehr mitnehmen. Es gibt einfach keine angemessenen Worte wissen Sie?“

„Ich weiß“, murmelte sie. „Aber danke, Nikolai.“ Niko begegnete noch einen Moment lang ihrem Blick, dann schlug er mit der flachen Hand auf seine Rückenlehne. „Okay. Wir sehen uns unten, Mann.“

„Sag Lucan, dass ich Dylan zum Treffen mitbringe.“ Sowohl sie als auch Niko sahen ihn überrascht an. Draußen vor dem Rover stieß Kade einen trockenen Fluch aus und lachte dann leise los, als hätte Rio nun den Verstand verloren.

„Du willst eine Zivilistin in ein Meeting mit Lucan bringen“, sagte Niko. „Eine Zivilistin, von der er erwartet, dass du ihr heute Nacht den Kopf durchgeputzt hast, wie er es dir aufgetragen hat.“

„Dylan hat heute Nacht etwas gesehen“, sagte Rio. „Ich denke, der Orden sollte aus erster Hand davon erfahren.“ Niko musterte ihn schweigend, und zwar sehr lange, schließlich nickte er, als wäre ihm klar, dass Rio sich nicht umstimmen lassen würde. Rio sah ihm an, dass sein alter Freund erkannt hatte, dass Dylan nicht bloß eine Zivilistin war oder eine Mission, die Rio vergeigt hatte. Am Glitzern der winterlich blauen Augen des Kriegers konnte Rio sehen, dass Niko verstand, wie viel Dylan ihm inzwischen bedeutete. Er verstand, und seinem schiefen Lächeln nach zu urteilen, das ihm im Mundwinkel saß, war er einverstanden. „Scheiße, Amigo. Okay. Ich richt's ihm aus.“ Als Niko und Kade zusammen auf den Lift des Anwesens zugingen, stiegen Rio und Dylan aus dem Rover und folgten ihnen in einigen Minuten Abstand. Hand in Hand nahmen sie den Aufzug, der zum unterirdischen Hauptquartier in hundert Meter Tiefe führte.

Es war seltsam, durch das Labyrinth gesicherter Korridore zu gehen und sich dabei nicht so zu fühlen wie in den drei Monaten nach der Explosion - wie ein verlorenes Wildtier, das ohne Ziel oder Zweck nur noch in seinem Schlupfwinkel umherstrich.

Denn nun hatte er beides, und das ließ sich in einem einzigen Wort zusammenfassen: Dylan.

„Wird es dir nicht unangenehm sein, darüber zu reden, was du heute Nacht in diesem Krankenzimmer gesehen hast?“, fragte er, als sie durch die Korridore gingen. „Denn sonst kann ich das für dich ...“

„Nein, ist schon in Ordnung. Ich will helfen, wenn du denkst, dass ich das kann.“

Er hielt sie an in der langen, mit weißem Marmor ausgekleideten Vorhalle unweit der Glaswände des Techniklabors, wo seine Brüder sie erwarteten.

„Dylan, was du heute Nacht für mich getan hast ... mir dein Blut zu geben, bei mir zu bleiben, wo du doch alles Recht hattest, mich dort zu lassen und nie mehr zurückzuschauen ... ich will, dass du weißt, dass alles, was heute Nacht zwischen uns geschehen ist, mir etwas bedeutet. Ich bin ...“

Er wollte ihr sagen, dass er sich in sie verliebte, aber diese Worte hatte er schon so lange nicht gesagt ... und nicht geglaubt, dass sie ihm jemals wieder von Herzen kommen würden, geschweige denn so tief und ehrlich wie jetzt. Dieses Zugeständnis fiel ihm schwer, und die unbehagliche Pause schien eine Kluft zwischen ihnen zu schaffen.

„Ich bin ... dir so dankbar“, sagte er und hielt sich an das andere Gefühl, dass sein Herz erfüllte, wenn er sie nur ansah. „Ich weiß nicht, ob ich es dir jemals zurückgeben kann, was du mir heute Nacht gegeben hast.“

Das Licht in ihren Augen schien sich etwas zu dämpfen, während sie ihm zuhörte. „Denkst du, ich würde dich bitten, mir das zurückzuzahlen?“ Langsam schüttelte sie den Kopf. „De nada. Gern geschehen. Du schuldest mir gar nichts, Rio.“

Er setzte an, um noch mehr zu sagen - einen weiteren schwachen Versuch zu machen, zu erklären, was sie ihm inzwischen bedeutete.

Aber Dylan ging schon weiter, ihm voran.

„Scheiße“, zischte er und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar.

Er holte sie nach einigen Schritten ein, gerade rechtzeitig, um durch die Glaswand zum Techniklabor Lucans Stimme dröhnen zu hören.

„Was zum Henker soll das heißen, er bringt sie mit? Er sollte auf jeden Fall einen verdammt guten Grund haben, diese Reporterin wieder mit ins Hauptquartier zu bringen.“

So sehr Dylan Rios höfliche Dankbarkeit irritiert hatte, das Gefühl wich schlagartig der Angst, die ihr eiskalt durch die Adern rann, als sie den Anführer des Ordens und sein aufgebrachtes Brüllen hörte. Der Gedanke, dass sie auf Rios Schutz angewiesen sein könnte, gefiel ihr gar nicht, aber als sie beim Eintreten in den Konferenzraum mit acht grimmigen Vampirkriegern in voller Kampfmontur plötzlich seine breite Handfläche auf ihrem Kreuz spürte, war nur das der Grund, dass ihr nicht die Knie zitterten.

Dylan verschaffte sich einen schnellen Überblick über die Gefahr, der sie sich gegenübersah: Lucan, der dunkelhaarige Anführer, war nicht zu übersehen. Das war der, der vorhin schon mit Rio zusammen gewesen war und ihm die knappe Anweisung erteilt hatte, sie zurück nach New York zu bringen und ihre Erinnerungen zu löschen, wie bei ihrer Mutter, ihrem Chef und ihren Freundinnen.

Neben Lucan saß an der beeindruckenden elektronischen Kommandozentrale, die aus über einem halben Dutzend Rechnern und doppelt so vielen Monitoren bestand, ein Stammesvampir mit stacheligem blonden Haar, das aussah, als wühlte er ständig darin herum, bis es ihm in völliger Anarchie wild um den Kopf stand. Er sah Dylan über eine dünne rechteckige, hellblau getönte Sonnenbrille an.

Von allen Kriegern, die hier versammelt waren, schien er am wenigsten bedrohlich, obwohl auch er über einen Meter achtzig groß und sein Körper genauso schlank, durchtrainiert und muskulös war wie der der anderen Krieger.

„Das ist Dylan Alexander“, verkündete Rio der Gruppe. „Ich bin sicher, inzwischen habt ihr alle gehört, was in Jicín vorgefallen ist; dass Dylan die Höhle gefunden und Fotos von ihrem Inhalt gemacht hat.“

Lucan verschränkte die Anne über der Brust. „Was ich gerne wüsste, ist, warum du offen meine Anweisungen missachtest und sie heute Nacht wieder mitbringst. Sie mag eine Stammesgefährtin sein, aber sie ist Zivilistin, Rio. Zivilistin mit Medienkontakten, verdammt noch mal.“

„Jetzt nicht mehr“, warf Dylan ein und ergriff das Wort, bevor Rio gezwungen war, sie zu verteidigen. „Die Medienkontakte, die ich hatte, sind passe. Und selbst wenn es nicht so wäre, haben Sie mein Wort, dass ich niemals freiwillig etwas von dem, was ich weiß, der Außenwelt preisgeben würde. Ich wünschte, ich hätte diese Fotos nie gemacht und diese Story nie geschrieben. Alles, womit ich den Orden in Gefahr gebracht habe, tut mir von Herzen leid.“

Wenn sie ihr glaubten, ließ sich jedenfalls keiner von ihnen etwas anmerken. Die übrigen Ordenskrieger starrten sie von ihren Plätzen an dem riesigen Konferenztisch an wie eine Geschworenenjury, die sich ein Bild über den Angeklagten machen will. Niko und Kade waren da, sie saßen neben einem schwarzen Krieger mit geschorenem Kopf und Schultern, gegen den sich der größte Rugbyspieler zwergenhaft ausnahm. Aber wenn dieser Typ schon bedrohlich wirkte, war das nichts gegen den, der ihm gegenübersaß. Mit schulterlangem lohfarbenen Haar und klugen smaragdgrünen Augen sah dieser Krieger aus wie jemand, der schon alles gesehen - und getan hatte ... und noch mehr als das.

Er musterte Dylan mit zusammengezogenen Augen, wie auch die zwei übrigen Männer im Raum - ein großspurig aussehender Krieger, der gerade zwei recht übel aussehende identische geschwungene Dolche polierte, und eine Söldnertype mit kurzem Armeehaarschnitt, wie gemeißelt wirkendem Kinn und Wangenknochen und grimmigen stahlblauen Augen.

Rio legte ihr den Arm um die Schultern. Es war wie eine leichte Umarmung, und sofort fühlte sie sich sicher, als stünde sie eben nicht allein vor dieser gefährlichen Gruppe kampfgestählter Krieger. Rio stand voll und ganz hinter ihr, war vielleicht ihr einziger Verbündeter im Raum.

Er vertraute ihr. Dylan konnte sein Vertrauen in der Wärme seines Körpers spüren und in seinem sanften Blick, mit dem er sie ansah, als er jetzt das Wort an seine Brüder richtete.

„Euch allen ist klar, dass Dylan die verborgene Gruft auf diesem Berg entdeckt hat, aber ihr wisst noch nicht, wie genau sie überhaupt dorthin finden konnte.“ Rio räusperte sich. „Eva hat ihr den Weg gezeigt.“

Ein ungläubiges Raunen erhob sich im Raum, sogar offene Feindseligkeit schlug ihnen entgegen. Aber es war Lucans Stimme, die sie alle übertönte.

„Willst du uns damit auch noch sagen, dass sie mit dieser verräterischen Schlampe zu tun hatte? Wie zur Hölle ist das möglich?

Eva ist seit einem Jahr tot.“

„Dylan hat an diesem Tag Evas Geist auf dem Berg gesehen“, sagte Rio. „Das ist Dylans spezielle Gabe, die Toten zu sehen und zu hören.

Eva ist ihr erschienen und hat sie zu mir in dieser Höhle geführt.“

Dylan sah den Kriegern zu, wie sie diese Neuigkeiten verarbeiteten.

Sie konnte fast jedem der harten Gesichter im Raum ansehen, dass ihnen Eva verhasst war. Und das war auch kein Wunder, wenn man bedachte, was sie Rio angetan hatte. Was sie durch ihren Verrat ihnen allen angetan hatte.

„Heute Nacht hat Dylan einen weiteren Geist gesehen“, sagte Rio.

„Eine weitere Stammesgefährtin, um genau zu sein. Dieses Mal hat sie die Erscheinung im Krankenhauszimmer ihrer Mutter gesehen. Und was das tote Mädchen ihr sagte, ist für uns alle von großem Interesse.“

Er wandte sich zu Dylan und ermunterte sie mit einem Nicken, selbst weiterzuerzählen. Sie sah den Kriegern reihum in die ernsten Augen und berichtete ihnen mit vorsichtig gewählten Worten alles, was Tonis Geist ihr gesagt hatte, Satz für Satz, rief sich jedes einzelne Wort ins Gedächtnis zurück, um die Warnung aus dem jenseits so klar und deutlich wie möglich zu machen.

„Herr im Himmel“, sagte der Krieger an der Computerkonsole, als Dylan zu Ende geredet hatte. Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar und brachte die kurzen blonden Stacheln dadurch nur noch mehr in Unordnung. „Rio, was hast du neulich gesagt, davon, dass jemand eine neue erste Generation von Stammesvampiren heranzüchten könnte?“

Rio nickte, und sein grimmiger Gesichtsausdruck jagte Dylan einen kalten Schauer über den Rücken. „Wenn der Alte erfolgreich aus seinem Winterschlaf geweckt wurde - wer sagt uns, dass er sich nicht fortpflanzt? Oder dazu gezwungen wird?“

Als Dylan ihnen zuhörte, setzten sich die Puzzleteile, über die sie die letzten Tage nachgegrübelt hatte - schon seit sie einen Fuß in die Höhle gesetzt hatte -, plötzlich zu einem Bild zusammen. Die verborgene Gruft mit dem offenen Sarkophag. Die seltsamen Symbole an den Wänden, die wie aus einer anderen Welt zu stammen schienen.

Das untrügliche Gefühl von etwas unsagbar Bösem, das diese dunkle Grotte durchdrang, auch wenn der ursprüngliche Bewohner gar nicht mehr dort war ...

Die Höhle war eine Art Lager gewesen. Eine Überwinterungskammer, genau wie Rio ihr versehentlich gesagt hatte.

Und die gefährliche Kreatur, die darin geschlafen hatte, war nun frei und trieb irgendwo ihr Unwesen.

Zeugte Nachkommen.

Tötete.

Oh Gott.

Vom anderen Ende des Tisches sah Niko Rio mit einem Stirnrunzeln an. „Wenn also die letzte außerirdische Bestie wieder voll dabei ist mit der Babyproduktion, wäre die nächste Frage, wie lange treibt er das schon?“

„Und mit wie vielen Stammesgefährtinnen“, fügte Lucan nüchtern hinzu. „Wenn wir wirklich von einem Szenario ausgehen, dass Stammesgefährtinnen entführt und irgendwo gefangen gehalten und, zumindest in einigen Fällen, getötet werden, dann wage ich gar nicht daran zu denken, wo das möglicherweise hinführt. Gideon, kannst du in den Einwohnerlisten der Dunklen Häfen eine Suche durchlaufen lassen und sehen, ob in den letzten zehn Jahren irgendwo Stammesgefährtinnen vermisst gemeldet wurden?“

„Bin dabei“, erwiderte der, malträtierte seine Tastatur und feuerte auf mehreren Rechnern unterschiedliche Sucheingaben ab.

Der Krieger am Konferenztisch, der aussah, als sei er einem Wehrsportmagazin entsprungen, ergriff als Nächster das Wort. „Nun, es ist fast ein Wunder, aber der regionale Direktor der Agentur hat sich heute Nacht zu einem Treffen bereit erklärt. Wollt ihr, dass ich Direktor Starkn von dieser neuen Tatsachenlage in Kenntnis setze?“

Lucan schien über die Idee nachzudenken, schließlich schüttelte er vage den Kopf. „Lass uns damit noch eine Weile warten, Chase. Noch können wir nicht mit Gewissheit sagen, wonach wir suchen, und wir werden die Agentur schon genug damit in Aufruhr versetzen, wenn wir ihnen sagen, dass wir glauben, dass unsere wenigen überlebenden Gen-Eins-Vampire gezielt ermordet werden.“

Chase nickte zustimmend.

Als die Gruppe auseinanderzugehen begann, kam Lucan herüber, um sich mit Rio und Dylan allein zu unterhalten.

„Ich weiß diese Information zu schätzen“, sagte er zu ihr. „Aber als so wertvoll sie sich auch für uns erweisen mag, unser Hauptquartier ist kein Ort für eine Zivilistin.“ Er starrte Rio finster an, die silbernen Augen musterten ihn eingehend. „Sie wurde vor die Wahl gestellt und hat ihre Entscheidung getroffen. Du weißt, dass wir ihr nicht erlauben können, zu bleiben. Nicht als Zivilistin.“

„Ja“, sagte Rio. „Das ist mir klar.“

Lucan wartete, offensichtlich war ihm nicht entgangen, dass Dylan und Rio sich inzwischen nähergekommen waren. Er räusperte sich.

„Also, wenn du mir etwas zu sagen hast, Mann ...“

In der ausgedehnten Stille, die darauf folgte, hielt Dylan unbewusst den Atem an. Sie wusste nicht, was sie von Rio zu hören erwartete.

Dass er Lucans Regel brach und ihn damit offen herausforderte? Dass er sie liebte und dafür kämpfen würde, sie an seiner Seite zu haben, egal, was der Rest des Ordens von ihr hielt?

Aber er sagte nichts dergleichen.

„Ich muss mit Dante reden“, sagte er zu Lucan. „Und mit Tess auch.

Ich muss sie etwas sehr Wichtiges fragen.“

Lucan musterte ihn nachdenklich, die Augen schmal. „Du weißt, was ich erwarte, Rio. Du lässt mich wissen, wenn sich irgendetwas ändert.“

„Klar“, erwiderte Rio.

Als Lucan sich umdrehte und zurückging, um sich mit Gideon zu beraten, hob Rio Dylans Kinn. „Ich habe dir versprochen, dass ich versuchen werde, deiner Mutter zu helfen“, erinnerte er sie sanft. Als sie nickte, fuhr er fort. „Ich weiß nicht, ob es möglich ist, aber bevor wir über dich und mich reden können, muss diese Frage beantwortet werden. Ich weiß, ich kann dich nicht darum bitten, bei mir zu bleiben, wenn du dich so sehr danach sehnst, bei deiner Familie zu sein. Ich kann dich nicht darum bitten.“

Hoffnung flackerte in ihrer Brust auf. „Aber ... willst du mich denn bitten, bei dir zu bleiben?“

Er streichelte ihre Wange, strich ihr eine Haarsträhne hinters Ohr.

„Gott, ich will es, Dylan, und wie ich das will.“

Rio neigte den Kopf und küsste sie, vor all den anderen Kriegern.

Sein Kuss war kurz, aber unglaublich liebevoll.

Als er sich zurückzog, spürte Dylan die Blicke des gesamten Ordens auf sich gerichtet - auf sie beide. Aber es waren Rios Augen, die sie gebannt hielten. Sie brannten vor Sehnsucht und zärtlicher Zuneigung, in den riesigen Iriskreisen blitzten bernsteinfarbene Funken auf.

„Komm. Ich bringe dich in mein Quartier und besorge dir etwas zu essen. Mit Dante und Tess muss ich noch reden, aber es wird nicht lange dauern.“

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